Der Neid zerfrißt unsere Kinder
Neid ist etwas, was ich nicht kenne. Ich finde Neid schlimm. Es ist eines der Gefühle, die uns Menschen krank machen können. Neid zerstört Freundschaften, manchmal sogar Leben. Neid tötet. Neid erzeugt Kriege. Und als Gefühl kann Neid stärker sein als alles andere. Stärker als Liebe, stärker als Hass. "Vom Neid zerfressen" ist eine Floskel, die nicht nur in der Weltliteratur, sondern im alltäglichen Leben immer wieder vorkommt.
Ich kenne keinen Neid. Was der andere hat, das gönne ich ihm. Mein Freund hat seit ein paar Tagen ein IPhone4. Tolles Teil, überflüssig wie ein Kropf. Ich hab mal damit telefoniert, man versteht den Gesprächspartner am anderen Ende kaum. Und die Apps, es gibt hunderttausende davon, die kosten alle Geld. Aber man muss mindestens 300 Stück davon habe, im Durchschnitt für 80 Cent. Ich gönne ihm sein IPhone, ich brauche sowas nicht.
Die Eltern einer Freundin meiner Tochter haben ein sagenhaftes Haus hier am Berg. Der Ausblick auf das Tal und Niederstetten ist sensationell. Ein wirklich bemerkenswertes, tolles Haus. Brauche ich aber auch nicht, mir reicht meine Wohnung und mein vier Quadratmeter großes Büro. Mehr brauche ich nicht. Ich könnte diese Liste endlos führen, einer meiner Freunde war in New York, eine Freundin in Australien. Mir egal, hoffentlich hatten die eine schöne Zeit.
Warum ich keinen Neid verspüre kann ich nur ahnen. Ich war immer mit dem zufrieden, was ich hatte. Denn ich hatte sehr lange Jahre lang nichts. Aber auch gar nichts. Außer Schulden, die hatte ich genug. Man lernt nach einer Weile dass zu schätzen, was man sich leisten kann. Ich habe 20 Jahre gebraucht um sinnvoll mit meinem Geld umzugehen. So etwas sinnloses wie ein IPhone oder ein IPod oder gar ein IPad kommt mir nicht ins Haus.
Bei einem meinen Kindern scheint das anders zu sein. Vor ihrem 13. Geburtstag kämpfte Melissa dafür, ein neues Handy zu bekommen. Sie rechnete sich aus, was an Geld hereinkommen würde und machte mich mit ihren Plänen vertraut. Ich fiel aus allen Wolken, denn ein Handy für fast 400 Euro kam für meine Tochter überhaupt nicht in Frage. Nach tagelangen Kämpfen und Rumschreiereien "einigten" wir uns auf ein Handy für knapp 200 Euro. Als ich sie fragte, wofür sie denn um alles in der Welt ein solch teures Handy brauche bekam ich zur Antwort: "Zum angeben!". Heute nehme ich das Handy in die Hand, es ist keine vier Wochen alt. Das Display hat bereits einen tiefen Kratzer und das Gehäuse sieht aus, als hätte sie damit versucht etwas abzuschmirgeln.
Heute fragte sie mich, ob ich wüsste, wo man ein bestimmtes Mäppchen bekommen könnte. Ich sagte ihr, dass ich keine Ahnung davon hätte und dass ein Mäppchen für fast 20 Euro überhaupt nicht in Frage komme. Bisher haben Mäppchen für 5 oder 8 Euro auch gereicht. Zur Antwort bekam ich, dass alle in der Klasse dieses Mäppchen hätte, dass es total cool und schön wäre und das sie es sich vom Weihnachtsgeld kaufen würde. Wir haben ausgemacht, dass ich, wenn sie sich etwas vom Taschengeld kauft, welches ich ihr ja bezahle - es also mein Geld ist - Mitspracherecht habe. Für Gelder von Oma oder Onkel zählt das aber nicht. Mensch, Leute, 20 Euro! Das sind 40 Mark! Noch vor 10 Jahren hätte ich jeden für verrückt erklärt, wenn er mir gesagt hätte, 2010 kostet ein scheißnormales Mäppchen, in das die Kinder ihre Füller und Filzstifte stecken, 20 Euro! Dafür muss eine alte Oma verdammt lange stricken.
Auf jeden Fall weinte sie dann und ich habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass sie gerade vom Neid zerfressen wird. Sie ist neidisch, weil viele ihrer Klassenkameraden dieses verfluchte Mäppchen haben und sie nicht. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass diese körperlichen und seelischen Schmerzen, die sie sich gerade zufügt, der blanke Neid ist. Aber mit solchen Argumenten kannst du einem Kind nicht kommen denn Argumente dieser Art erreichen das jugendliche Gehirn nicht. Ich war auch mal jung, ich weiß das. Also einigten wir uns darauf, dass sie es vom Weihnachtsgeld kaufen darf. Ist dann ja nicht meine Kohle, die da mit offenen Händen zum Fenster rausgeworfen wird.
Was sind das nur für Zeiten, wir werden völlig abgezockt. Die Videobarbie kostet 80 Euro (160 Mark), eine gute Jacke von Wolfskin 399 Euro (800 Mark), der "Große Flughafen" von LEGO 80 Euro (160 Mark), eine Winterjacke von Esprit (für meine Frau) 299 Euro (600 DM). Die ganze europäische Welt scheint völlig aus den Fugen zu geraten, die kennen echt keine Grenzen mehr. Das "Lustige Taschenbuch" kostet 7 Euro (14 Mark), das neue Werner "Freie Bahn mit Marzipan 10 Euro (20 Mark). Die Liste ist endlos.
Ich kaufe einfach nur das Nötigste. Ich brauche nichts, was die anderen haben. Wozu? Damit der Neid auch mich zerfrisst? Sicher nicht!
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